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Neue Teilhabe-Empfehlungen

Jürgen Dusel digital am 8. Februar 2024 digital auf Einladung von Bernd Rützel (MdB), mit Sibylle Brandt, Landesvorsitzende der AG Selbst Aktiv Bayern

Demokratie. Inklusion und Teilhabe gehören untrennbar zusammen. Zentrale Menschenrechte, wie sie in der UN-Behindertenrechtskonvention festgehalten sind, dürfen nicht nur auf dem Papier stehen. Teilhaberechte sind Versprechen unserer Demokratie; Vielfalt ist ein zentraler Wert in unserer demokratischen Gesellschaft. Wer wie die AfD Inklusion als „Ideologieprojekt“ angreift, greift die Grundlagen der Demokratie an.

Teilhabe-Empfehlungen wirken: Vor vier Jahren wurde die vierte Stufe der Ausgleichsabgabe für Betriebe, die ihre Verpflichtung zur Beschäftigung von Schwerbehinderten nicht erfüllen, sowie der Anspruch auf Assistenz im Krankenhaus empfohlen – beides ist inzwischen geltendes Recht. Die aktuellen Empfehlungen legen den Fokus auf Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen – eine Reaktion auf zahlreiche Beschwerden aus diesem Personenkreis über mangelnden Zugang zu vielen gesellschaftlichen Bereichen. Wichtig dabei: Viele Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen oder mit Lernschwierigkeiten wollen nicht „geistig behindert“ genannt werden – das ist zum Beispiel zentrales Anliegen des Vereins „Mensch zuerst“. „Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen“ ist eine vorläufige Bezeichnung, die sich an den Sprachgebrauch der UN-Behindertenrechtskonvention anlehnt. 

Die Teilhabe-Empfehlungen betreffen fünf Bereiche: In der Bildung geht es nicht nur um allgemeinbildend Schulen, sondern besonders um die berufliche Bildung, aber auch um universitäre Bildung für Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen, zum Beispiel an Kunsthochschulen. Im Bereich Arbeit geht es um Alternativen zur Werkstatt für Menschen mit Behinderungen und eine stärkere Fokussierung auf den ersten Arbeitsmarkt. Jürgen Dusel schlägt vor, alle Arten von Nachteilsausgleich an die Person zu binden, und nicht länger mehr an die Werkstatt – also „einen Rucksack zu packen“, mit dem die Nachteilsausgleiche überall hin mitgenommen werden können.

Ein weiterer Schwerpunkt der Teilhabe-Empfehlungen ist der Bereich Gesundheit. Hier gilt es, den „Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen“ zu entwickeln – auch und gerade mit Blick auf Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen. Bei den Special Olympics World Games in Berlin wurden im letzten Jahr die Teilnehmenden auf freiwilliger Basis medizinisch untersucht. Das bestürzende Ergebnis: Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen haben Schwierigkeiten beim Zugang zum Gesundheitssystem: Viele tragen falsche Brillen und Schuhe, und ihre Zähne sind oft in miserablem Zustand. Die Behandlung dieser Patient*innen erfordert Zeit und Wissen – und Kommunikation in leichter Sprache. Die Teilhabe-Empfehlungen wollen entsprechende Anpassung der Vergütung für Arztpraxen, die Behandlung von Patierent*innen mit intellektuellen Beeinträchtigungen in die Ausbildung von medizinischem Personal zu integrieren – und endlich eine Verpflichtung zur Barrierefreiheit auch für private Anbieter medizinischer Dienstleistungen. Für Menschen mit Mehrfachbehinderungen muss es flächendeckend spezialisierte Behandlungszentren (Medizinische Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen (MZEB)) geben.

Weitere Teilhabe-Empfehlungen betreffen die Digitalisierung und den Gewaltschutz. Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen müssen an der Weiterentwicklung digitaler Werkzeuge beteiligt werden, damit ihre Zugangsmöglichkeiten zur digitalen Welt verbessert werden. Frauen mit intellektuellen Beeinträchtigungen sind einem deutlich höheren Risiko ausgesetzt, Opfer sexualisierter Gewalt zu werden. Eine durchgreifende Sensibilisierung ist nötig, um diesen Frauen einen besseren Zugang zu Beratung und Justiz zu verschaffen.

Thomas Koch
Vorsitzender der AG Selbst Aktiv Reinickendorf

Die Teilhabe-Empfehlungen des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen kann hier heruntergeladen werden:
https://www.behindertenbeauftragter.de/DE/AS/presse-und-aktuelles/publikationen-und-erklaerungen/publikationen-und-erklaerungen-node.html

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